Türchen 20

Das 20. Türchen ist offen und das Weihnachtsfest steht unmittelbar bevor. Wir schenken Euch noch eine Geschichte für den Heilig Abend, die Uschi´s Papa vor einigen Jahren aufgeschrieben hat: 

´s Christkindl aus der Leutasch

Eine Mittenwalder Weihnachtsgeschichte, erzählt von Walter Glas

Es war so Mitte der 50iger Jahre, als die Winter noch Winter waren, da saßen ein paar Mittenwalder Zöllner in ihrer Blockhütte in der Leutasch. Das Zollamt stand damals noch mitten im Wald, unweit der Kapelle. Der Schlagbaum war herunter, alles war tief verschneit und Autos gab´s sowieso keine. Es war ein Heiliger Abend wie aus dem Bilderbuch. Die „Grünen“ taten das einzig Richtige, das man in so einer Situation tun kann, sie setzten sich in die warme Stube und hielten einen Ratsch unter Männern. Etwas später, als der Gesprächsstoff ausgegangen war, in Garmisch ham´s a Spielbank eröffnet und in München hatte „Der Förster vom Silberwald“ Premiere, wurde es staad. Jeder hing seinen Gedanken nach. Die Älteren dachten an ihre Familien und die jungen an die Freundinnen. Mitten in diese Stille hinein poltert auf einmal eine vermummte und tiefverschneite Gestalt herein. Als man sich vom ersten Schreck erholt hatte, die Dienstwaffen waren schon Stunden vorher verräumt worden, als der Schnee dampfend taute, die Person ihre Mütze abnahm und sich aus dem Mantel schälte, stand vor den überraschten Männern eine junge Frau. Vier Kilometer war sie von der Leutasch herübergekommen um den „Boarn“ frohe Weihnachten zu wünschen. Mitgebracht hatte sie auch etwas. Aus der Tiefe des uralten Jagerrucksacks zauberte sie für jeden der Männer eine Flasche Tiroler Roten und ein Kletzenbrot hervor. Als sie sich wenig später mit dem nun leichten Rucksack und begleitet von den besten Wünschen der Zöllner auf den Rückweg machte, da war´s auf einmal Weihnachten geworden im Zollhaus an der Grenz´.

Die Geschichte könnte hier enden. Weil sie aber das Leben schrieb, geht sie noch weiter. Aus dem ersten Weihnachtsbesuch wurde im Laufe der Jahre ein lieber Brauch. Das ging solang, bis man von Amts wegen einen neuen Kollegen bekam. Der alte Zöllner, von dem ich die Geschichte habe, erinnert sich: „Woascht, des war a Tausendprozentiger.“ Seit Wochen hatte es geschneit, saukalt war´s und selbst einen Hund wollte man nicht vor die Tür jagen. Ob´s wohl kommt, ´s Christkindl aus der Leutasch? Es kam! Aber noch etwas anderes kam, völlig unerwartet und heut´ noch regt es meinen Gesprächspartner auf, wenn er daran denkt. Der Neue, der Tausendprozentige, lehnte nicht nur Wein und Kletzenbrot ab, er redete auch von Beamtenbestechung und anderen schlimmen Dingen. Seither ist´s Christkindl aus der Leutasch an Heiligabend nie mehr ans Zollamt gekommen. Seit vielen Jahren ist es jetzt im Himmel droben und berät vielleicht das echte Christkind im Umgang mit den Beamten. Die Zöllner von damals sind schon im Ruhestand. Nur der eine, der Tausendprozentige, Sie wissen schon: der hat´s geschafft. Der ist heut´ ein hohes Tier in der Finanzdirektion im fernen München.